Begegnungen durch Nähe zur Schule

Das Ding mit der Nähe zur Schule: meine 10 lehrreichsten Begegnungen

Das mit der Nähe zum Arbeitsplatz ist so eine Sache. Ich wohne recht nah an meiner Schule, die mir vor inzwischen zwei Jahren zugewiesen wurde. Anfangs waren es 6 Minuten mit dem Rad. Jetzt sind es sogar nur noch 4 Minuten. Vielen Lehrern ist das zu nah, sie schätzen mehr Distanz. Darüber berichtet sogar der Spiegel. Der kurze Arbeitsweg bringt natürlich unglaublich viele Vorteile, ebenso aber einige Nachteile die für den ein oder anderen Kollegen nicht so toll sind. Anfangs hatte ich da auch so meine Sorgen, zu nah dran zu sein. Kann man überhaupt abschalten, wenn man ständig Schüler treffen kann? Gerade diese Sache mit dem Rollenkonflikt hat mich beschäftigt: wann bin ich Lehrer, wann Privatperson oder geht beides? Zwei Jahre später sehe ich das Ganze weitaus entspannter und genieße vor allem die Vorteile des kurzen Schulwegs. Um die 10 schönsten Begegnungen, was ich dabei gelernt habe und ein paar weitere Gedanken zu dem Thema geht es im Folgenden.  


Rosa, nein lachsfarben ist das Laufshirt. Damals meinte die Verkäuferin noch, da habe ich aber etwas Schönes für die Freundin ausgesucht. Aber ich will damit laufen und es hing ja schließlich in der Herrenabteilung. Und dann: „Na sie können es aber auch tragen“. In ebendiesem Traum aus lachsrosa bin ich dem ersten Schüler außerhalb der Schule entgegen gestolpert. Sport ist für mich wichtig, da kommen mir die besten Ideen und mit ein wenig Abstand und erhöhtem Puls beantworten sich manche Fragen wie von selbst. Erst am Montag davor hatte ich mit meinem Grundkurs über Sport gequatscht. Wer macht welchen Sport und warum? Ich habe mich bedeckt und vage gehalten und prompt spaziert einen Tag später einer von ihnen mit einem dicken Grinsen an mir vorbei. Fazit: Ich brauche auf jeden Fall mehr blaue Laufshirts!

Ziemlich schnell habe ich ein Codewort für Schülerinnen und Schüler gesucht und gefunden. Beim Spazierengehen wundert sich die Begleitung sonst häufiger, warum man von Erwachsenen oder jungen Menschen totgestarrt wird … naja oder andersrum. Fazit: Hauptsache Grüßen!

Natürlich trifft man Kollegen und Schüler auch immer wieder beim Einkaufen oder an der Eisdiele. Doof wenn man sich das selbe Einzugsgebiet teilt. Kurios wird das aber erst, wenn man Malzbier (war es wirklich!) oder Unterwäsche kauft. Vorbildhaft sollte man sich aber auch im öffentlichen Nahverkehr bewegen. Einen Schüler, der jede freie Minute in Pausen mit seinem Smartphone verbringt und von mir häufig zu anderen Aktivitäten ermuntert wird habe ich kürzlich im Bus getroffen. Ich habe natürlich gerade am Smartphone gehangen und mich genauso smombiehaft benommen, wie jeder vorbildliche ÖPNV-Nutzer das heutzutage tut… Die Erkenntnis: Vorbildhaft einkaufen und sich anständig benehmen, auch nach der Schule.

Montags und freitags gibt es indisch! Allerdings ist das dann nicht nur für Lehrer, sondern erst Recht für die älteren Schülerinnen und Schüler erschwinglich. So sitzt man dann also alleine vor seinem Lamm-Curry und fragt sich, warum nie ein Kollege mitkommt. Die Schüler sitzen alle in Gruppen. Fazit: Für einsame Stunden im Imbiss immer etwas zu lesen mitnehmen!

Auch Lehrer müssen sich die Haare schneiden lassen! Auch wenn ich zugeben muss, dass die Zotteln manchmal länger als gewollt sind, sind ja auch viele Termine… Zwei Schülerinnen waren jedenfalls im letzten Jahr so konsterniert, dass sie nur ungläubig starren konnten, als ich da mit frischer Haarpracht den Friseur verließ. Fazit: nie sofort am Ausgang des Friseurs die Haare ausschütteln!

Nähe zur Schule: Fluch und Segen zugleich?

In der selben Nachbarschaft wie die eigenen Schüler zu wohnen, kann also Segen und Fluch gleichzeitig sein. Vorteilhaft mag es sein, dass man ein Problem gar nicht mit nach Hause nehmen muss, sondern es gleich auf dem Heimweg an der Eisdiele klären kann. Durchaus erheiternd kann es auch sein, wenn man aufgrund des unglaublich kurzen Schulwegs bei Regen fast trocken in der Schule ankommt, während die Kollegen vor sich hin tropfen und die Wechselkleidung auspacken. Mir als vergesslichen Menschen kommt zudem entgegen, dass ich schnell hin und her radeln kann, wenn ich etwas auf dem Arbeitsplatz vergessen habe. Immerhin wird es seltener. Verlockend ist es auch, in Freistunden einen Kaffee zu Hause zu genießen oder das Mittagessen nicht in der Schule, sondern ganz entspannt in einem Mittagsimbiss in der Nähe mit Freunden zu genießen, die auch mal mittags frei haben.

Aber die schönsten Begegnungen fehlen ja noch.

Neulich musste ich zum HNO-Arzt. Schnarchen und so. Da in der Nase scheinbar ganz schön viele Nervenenden zusammenlaufen, riet mir die Ärztin Stress abzubauen und besser von der Arbeit abzuschalten. Ich lachte. Den Ratschlag konnte ich nicht ganz Ernst nehmen. Im Wartezimmer hatte ich mich gerade eine Viertelstunde mit einem Schüler unterhalten.

Letztens erzählte ich einem befreundeten Lehrerkollegen, dass ich ständig Eltern und Schüler in der Nachbarschaft treffe. Er konnte mir das nicht so Recht glauben. Neulich sind wir dann zusammen Laufen gewesen und ich habe ständig irgendeine Zahl gemurmelt. Zum Schluss der Runde stand der Schülerzähler bei 7. Fazit: Die durchschnittliche Schülertreffquote (empirischer Einzelversuch) beträgt 0,58 Schüler je Kilometer.

Die schönsten Begegnungen gibt es aber immer noch in der Ferne, genau dann, wenn keiner damit rechnet. Erster Fall: Im Berliner Hotel nach dem Frühstück.

Zweiter Fall – immer noch in Berlin. Ich verstehe ja, das Touristen alle zu den gleichen Ecken pilgern, aber wie wahrscheinlich ist es denn, dass man an einem verregneten Tag im Februar im Neuen Museum an einem Schüler vorbei läuft? Scheinbar größer als gedacht. Immerhin rechnen Eltern und Schüler gleichermaßen noch weniger mit einem, als in der eigenen Nachbarschaft.

Rügen kann so schön sein. Besonders im Herbst ist es nicht so überlaufen und man kann sein Eis in Ruhe im Strandkorb genießen. Wer isst schon Eis im Oktober? Trotzdem stand da plötzlich eine ganze Familie vor einem und es wurden alle Hände durchgeschüttelt. Fazit: Menschen kann man immer und überall begegnen – eine sehr schöne Sache!

Den eigenen Umgang finden

Es ist eigentlich ganz einfach. Mit dem Beruf des Lehrers entscheidet man sich in der Regel bewusst dafür, ein Teil des Lebens der Schülerinnen und Schüler zu werden. Eltern und Kollegen gehören dann natürlich auch dazu. Bei mir war es einer der wichtigsten Gründe für die Berufswahl, junge Menschen nicht nur episodisch auf ihrem Weg begleiten zu können. Personen aus dem Arbeitsumfeld zu begegnen ist dann also auch ein Teil davon und gehört zu jeder beruflichen Tätigkeit dazu.

Trotz aller Nähe gilt es, bewusst seinen eigenen Umgang und die eigene Rolle für solche Situationen und Begegnungen zu finden. Mir geht es damit inzwischen prima und ich konnte alle Zweifel, die ich vor zwei Jahren hatte, ausräumen. Einen Fleck gibt es allerdings, wo ich definitiv weder Schüler noch Eltern treffen möchte, nämlich die Sauna!

Ergänzung: Nach dem Beitrag bin ich mit einigen Kollegen ins Gespräch gekommen. Kuriose und denkwürdige Begegnungen mit Eltern und Schülern haben bereits alle erlebt. Das Treffen von Schülern und Eltern außerhalb der Schule fand eigentlich auch niemand problematisch an sich. Unangenehm wird es scheinbar erst dann, wenn man im Supermarkt Elterngespräche führen soll und seine eigene Rolle, nämlich gerade privat einzukaufen, nicht klar macht oder dem Gesprächspartner nicht bewusst ist, dass man nicht in jeder Lebenslage Lehrer sein kann und möchte. Hätten wir das auch geklärt.

Bildquelle: pixabay


Eine Antwort zu „Das Ding mit der Nähe zur Schule: meine 10 lehrreichsten Begegnungen“

  1. Avatar von Eckerich
    Eckerich

    Tach!
    Mal wieder ein sehr interessanter Beitrag für einen Nicht-Lehrer.;-)
    Viele Grüße nach …

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