Plötzlich Sportunterricht fachfremd

Zur Abwechslung mal Sportunterricht fachfremd

Die letzte Woche vor den Ferien. Bei uns bedeutet das: eine Woche fächerverbindender Unterricht. Ich plane ein Projekt für die 7. Klasse. Da Vinci: basteln, ausprobieren, zeichnen und ein paar Mathe-Bezüge. Gar nicht mal schlecht für meine Fächerkombination, finde ich. Ich wage mich sogar an eine neue Methode (!) und lasse die Schüler Fragen an ein Bild stellen. Aber mein eigenes fächerübergreifendes Tun wird erst so richtig gefordert, als ich Mitte der Woche auch noch zum Aushilfssportlehrer werde. Sportunterricht fachfremd! Geht das gut? Ob und in welchem Zustand die Schüler und ich das überlebt haben?

Die fünften Klassen beackern in dieser Woche des fächerverbindenden Unterrichts Weihnachten. Sehr passend, könnte man meinen. Passend dazu soll ich einen Tag das Teilprojekt Weihnachtszirkus voran bringen – wobei beaufsichtigen trifft es wohl besser. Pyramiden sollen gebaut werden, Bälle werden jongliert und ein Tanz soll einstudiert werden.

Eignungstest im Kopf

Ich mache im Kopf meinen eigenen kleinen Eignungstest durch – und falle durch! Tanzen? Kann ich, aber nur wenn’s albern aussehen soll. Also schnell an die bombastischen Basic-Moves aus meiner Schulzeit erinnert. Auch wir durften uns einmal in rhythmischem-Sportbewege ausprobieren. Bis acht zählen kriege ich ja hin, V-Schritt und vier Schritte vor und zurück, das sollte reichen. Das erste Eignungskriterium erfülle ich also definitiv. Jonglieren übe ich seit ich 12 Jahre alt bin – mit großem Misserfolg. Da schaue ich sonst eigentlich eher staunend zu. Dafür bräuchte ich also einen jonglierenden Doppelgänger, denke ich mir. Zu Studienzeiten war ein Kommilitone Übungsleiter im Unisportkurs Jonglieren – den könnte ich jetzt gebrauchen. Und Pyramiden soll ich auch noch bauen? Besser nicht! Ich will lieber nicht danebenstehen, wenn die vierte Etage der menschlichen Pyramide gen Boden beschleunigt wird. Fazit: ich bin super vorbereitet und bestens geeignet.

180 Minuten können ganz schön lang werden

Ich habe zwei Doppelstunden mit 16 Kindern vor mir. Die werden sicherlich wie im Fluge vorbeigehen, denke ich mir, ist ja schließlich Sportunterricht. Stimmt aber nicht! Inzwischen habe ich echt Respekt davor, eine Sportstunde methodisch sauber zu planen und auch in ähnlicher Form zu realisieren.

Es geht mit einer Erwärmung los. Zombieball wurde mir auf den Zettel geschrieben: wird gemacht. Danach hänge ich noch Kettenhaschen dran und es dauert keine fünf Minuten und der erste Schüler hat ein blaues Auge. Also eine wichtige Kernkompetenz im Beruf auspacken: zuversichtlich gucken, gut zureden und den Kühl-Akku rausholen.

Danach geht es zum Jonglieren. Ich lasse mir das Jonglieren von den Schülern erklären, umgekehrt wäre ja bescheuert, wo ich es doch nicht kann. Die Schüler erklären mir schnell, dass ich es wirklich nicht kann und lediglich die Bälle „schaufle“. Die nächsten Minuten verbringen wir also alle gemeinsam beim Üben und ich mache tatsächlich Fortschritte. Nach einer Viertelstunde traue ich mich, die ersten besserwisserischen Tipps zu geben. Aber an drei Bälle traue ich mich selbst nicht, die Schüler können es zum Glück besser als ich.

Beim Tanzen ziehe ich mich gewieft aus der Affäre. Die Engagierten übernehmen und erarbeiten die kleine Choreografie. Am Ende stehen 90 Sekunden Gruppentanz und mein V-Schritt ist auch dabei! Ich bin stolz! Da habe ich wirklich etwas erreichen können.

Mit den Jungs baue ich in der Zwischenzeit einfache Pyramiden aus maximal drei Personen und wundere mich, wie die aufeinander rumtrampeln können, ohne dass es weh tut. Ein bisschen Körperspannung hier, ein bisschen heben da und dann sieht auch das ganz respektabel aus.

Zum Schluss noch kurz Zweifelderball. Ich soll mitspielen. Mache ich gerne, auch wenn meine Erkältung schreit: bitte nicht. Aber schreien geht sowieso nicht, die Stimme ist fast weg. Dafür habe ich mir von einer Kollegin eine Trillerpfeife ausgeborgt und benutze sie hin und wieder. Ohne dieses Utensil wäre ich an diesem Tag verloren, denke ich.

Fazit: alle überlebt.

Am Ende ist das blaue Auge auch schon fast abgeschwollen und vergessen. Eine Schülerin meint noch, ich sei ein richtig guter Sportlehrer gewesen. Sicher! Wie im Flug verging die Zeit aber nicht, eher zäh. Ist ja auch kein Wunder bei meinem sportdidaktischen und trainingsmethodischen Wissen. Im Lehrerzimmer werde ich gefragt, ob ich die Stunden gut überstanden habe. Naja… Jetzt noch die Pfeife zurückgeben und saubermachen. Nach 180 Minuten „Beinahe-Sportunterricht“ bin ich froh, am kommenden Tag einfach wieder ein bisschen Mathe bzw. Physik fächerverbindend zu machen.


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